ARIADNE         NEWS
Thomas Netusil Kunsthandel 1040 Wien; Fleischmanng. 1 Tel.:      +43 (664) 876 54 69 Mobil:   +43 (676) 796 78 58 mail:       galerie@ariadne.at Internet:        www.ariadne.at
Martha C. Kerschbaumer
"Entlarvungen"

Vernissage: am Tuesday, 11. January 2005 von 19 - 21 Uhr
Dauer der Ausstellung: 12. January - 5. February 2005
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 13 - 19 Uhr
Samstag 11 - 16 Uhr
und nach Voranmeldung (0664 / 876 54 69)

zur Eröffnung spricht Barbara Baum

Mit Zeichnungen von Martha C. Kerschbaumer eröffnen wir die Saison 2005.

Eröffnungsrede von Barbara Baum

Anmerkungen zu den Torsi und Portraits von Martha C. Kerschbaumer

Martha C. Kerschbaumer ist Graphikerin, Zeichnerin. Selbst in der Malerei offenbart sich ihr Hang zu lyrisch-expressiver Strichführung. Heute sehen wir Beispiele aus ihren wichtigsten, über Jahre fortgeführten Zyklen: Torsi in Verbindung mit dem männlichen Akt sowie kleinere Schriftstellerportraits.

Diese Arbeiten sind großteils mit Tusche und Graphit sowie Öl auf Japanpapier gezeichnet und aquarelliert. Die in Wien und Tirol lebende Künstlerin und akademische Restauratorin beschäftigt sich mit den bildnerischen Metamorphosen des Menschen am Schnittpunkt von Mythologie und Moderne.

Der Einfluss des Männlichen auf das Weibliche sowie existentielle Fragestellungen sind Hintergrund der körperlich-sexuell bestimmten Themenbereiche. Ihre Inhalte sind Enttarnungen, Entlarvungen oftmals verleugneter, emotionaler und körperlicher Ungleichgewichte.

Der widerspenstige Strich ist Wegweiser zur Körperform: heftig-nervös, oft abgebrochen, nicht zu Ende geführt, chaotisch-ekstatisch, energetisch-lustvoll - geballt, dann wieder auf dem Bildfeld verloren. Der Einfluss des Männlichen zeigt sich nicht nur in einem von Potenz geprägtem Rollenbild sondern als eindringliches, kräftemessendes Instrumentarium und durchaus positiver Störfaktor. Über- und Unterordnung wird graphisches Thema, das das große und feinnervige Spektrum der weiblichen Emotionalität in sich birgt. Die Farbe setzt sie dabei als eine Art von seelischem Zugeständnis ein, das Inhalte wärmt und energetisiert.

Der Torso ist ein fragmentarischer Überrest, ein aufgelöster Körper; entwurzelt, geköpft, insgesamt ein gewaltvoll monumentales, kunsthistorisches Thema von der Künstlerin frei interpretiert. Oftmals manieriert dargestellt findet sich in ihm der stärkste Ausdruck des Geistes voller kämpferische Energie: ein triumphaler Endpunkt im gleichzeitigen Augenblick von Tod und Wiedergeburt wie es uns auch die Plastiken Alfred Hrdlickas vor Augen führen.

Martha C. Kerschbaumers Kunst ist keine Frauenkunst, kein emanzipatorisches Mahnmal, keine biedere Reminiszenz. Sie ist enthusiastisch, barock- ausschweifend, dennoch subtil und von Grazie erfüllt. Gesichter und Körper scheinen hinter Strichen verborgen. Geschlechterzorn und Großmut kämpfen eine offene Schlacht. Die von der Künstlerin geborenen Geistes- und Engelswesen, Harphyen und Torsi sind in ihrem oftmals schrillen Neomystizismus in geistigen Konstellationen miteinander verstrickt. Der Weg zur vollkommenen künstlerischen Befreiung und Unschuld findet sich in diesen Werken über Metamorphosen und Entlarvungen.

Barbara Baum

Barbara Baum schreibt über Martha C. Kerschbaumer:

Aufschwung zur Menschwerdung

Harpyien, Engel und Dämonen - bildnerische Personifizierungen und Metamorphosen des modernen Menschen

Die moderne Welterklärung mit der Einsicht von Ursache und Wirkung hat Zweifel an der Wandlungsfähigkeit des modernen Menschen geschaffen. Sein facettenreiches Wesen und zahlreichen Neupersonifizierungen im Zusammenhang mit Schöpfung, Loslösung und Wiedererschaffung gelten von Menschenbeginn an als künstlerische Herausforderung.

Eine mögliche Form von bildnerischem Futurismus im Sinne eines Neomystizismus ist die künstlerische Wiedergeburt und Renaissance des Menschenbildes betreffend existenzielle Fragestellung, die Rückbesinnung auf die Ewigkeit, auf die Größe des seelischen Universums sowie eine Neudefinition von Schönheit. Der Blick auf die Vergangenheit eröffnet für den Künstler den Blick in die Zukunft.

In der Eigendynamik der kreativen Kraft liegt oft ein Hinterhalt, der den Schaffenden zerstreut, abhält, zurück zur Erde drängt und hindert, sein Werk zyklisch abzuschließen. Somit bedeutet aller Anfang zugleich ein Ende des kreativen Prozesses. Der Mensch gebiert Schöpfungen, die ihm entgleiten.

Und doch gibt es Künstler, die wissen, wann sie ihren Griff festigen. Martha C. Kerschbaumer weiß was sie will, sie ist Teil ihrer Schöpfung, Teil ihrer Zyklen des Werdens und Vergehens. Ursprünglichkeit, äußere Ruhe, eine sehr selbstverständliche Art der Konsequenz, Strenge, aber auch Warmherzigkeit machen ihre eigenwillige Persönlichkeit aus. Ihre Freude am Anderen, Schönen, Poetischen, an den Engeln und Dämonen, am Verweben und Klang der Zeiten, an Stilblüten und rätselhaften Geschichten enthüllt eine träumerische, doch zähe Kämpferin. Im Sinne eines schrillen Neomystizismus gebiert sie ihre romantischen und verwegenen Schöpfungen.

Bei der Darstellung des dem Menschen innewohnenden Dämons, einer bestimmten Personifizierung der menschlicher Seelenkräfte, überwiegt bei ihren Werken wie auch beim römischen „genius" die Vorstellung vom guten Geist, den positiven Kräften im Menschen.

Es ist die Hingabe der Muse an ihre Schöpfungen, der Glaube an ihre Kraft und enthüllenden Eigenschaften, die Zärtlichkeit für das Grauenvoll-Schöne. Mit einer gewissen Bedachtsamkeit und geübten Handgriffen werden die raren und unwiederbringlichen Arbeiten durch das Atelier gehoben. Mädchenhaft im Monteursoutfit, Restoratorin, Handwerkerin, routiniert in allen künstlerischen Techniken, lenkt die Künstlerin den Blick auf das Groteske, das keiner Form der Böswilligkeit zu huldigen scheint, auf die Abgründe, die den Höhen des Himmels gleichgesetzt werden.

Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang. ... und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht uns zu zerstören (Rainer Maria Rilke, Duineser Elegien, 1922)

Der schönfärbende Geist der Renaissance und die auf den zweiten Blick sich selbst reduzierende, widerspenstige Fülle des Barock fließen in ihren Malereien, Druckgraphiken und Zeichnungen zusammen. Ihre Mischwesen enthüllen Abgründe, die Nachdenklichkeit und Betroffenheit aufkommen lassen, Zweifel an der eigenen , Glaubwürdigkeit, Identifikation und Positionierung. Es geht hier auch um das Dilemma, inwiefern Kampf Isolation mit sich bringt, Sanftmut Gewalt. Es ist der bildnerische Versuch, die Kräfte in sich selbst zu bändigen, sie zu befreien, zu regulieren, das Maß aller Dinge zu erreichen, das Irdische, Ausweglose zu überwinden, ein gefühlsmäßiges und körperliches Gleichgewicht zu finden.

Die Darstellung der Nike, Hinweis auf Fruchtbarkeit, Liebe und Sieg, alles was davon übrig ist - Rumpf, Torso.

Die geformten Wesen und Skulpturen ringen mit sich, sie kämpfen entkräftet mit stummer Gewalt, wie in einem Kokon. Ohne miteinander zu kommunizieren, knüpfen sie leise Bande, die auf ihren Zusammenhalt und ihre Blutsverwandtschaft schließen lassen. Sie entwickeln sich eines aus dem anderen heraus. Alterslos, heroisch und weltabgewandt durchdringt sie ein inneres Glühen und angedeutete sexuelle Energie, die im Gegensatz zu den erstarrten Körpern steht. Die ungeliebten Ungeheuer beugen sich nicht ganz ohne Widerstand ihrer ausweglosen Existenz. Ihre Nähe zum Tod und ständige Wiedergeburt macht sie weich und verletzlich, bevor sie gefühllos erstarren und aus Lust Leere wird.

Ab 1998 beschäftigt sich die Künstlerin mit dem Christusbild, dessen Leid in strahlenden Farben, in Gelb, Orange und Rot erblüht. Der widersprüchliche Einsatz von Strich und Farbe verbildlicht stets einen Abbruch, der Strich ist nie zu Ende geführt, er zielt nie auf ein Ganzes hin.

Dem Zeitgeist entsprechend sind ihre Farben modisch, eher poppiger Natur. Frisch, etwas frech scheinen sie die widerspenstige Expressivität des Striches herauszufordern.

Sexuelle Energie und Symbolik kommen ebenfalls zum Ausdruck im Zyklus der Danaischen Pferde, die weitaus menschlichere Qualitäten und Verletzbarkeit zeigen als der Mensch selbst. Das Pferd als Symbol der aufsteigenden Seele kann im negativen Sinn Sinnbild Hochmut, somit auch negative Aspekte verdeutlichen. Die dargestellten Flügel sind sichtbarer Ausdruck der Zuordnung zum Göttlichen.

Gefallene, gestürzte Engel, die beschützt sein wollen, Boten und Geisteswesen in nächster Umgebung Gottes, teils menschen - , teils vogelköpfige Flügelgenien. Engel als ungeflügelte, männliche Gestalten, auf dem nächsten Blick geschlechtslose Wesen mit Flügeln wie in den ersten christlichen Jahrhunderten.

Der Engel, manieriert- expressiver Hinweise auf die Wandlung der Seele, ein „Geschöpf, in dem die Verwandlung des Sichtbaren in Unsichtbares, die wir leisten, schon vollzogen erscheint" (Rainer Maria Rilke, Duineser Elegien).

Im Zentrum der künstlerischen Wandlung steht bei Martha C. Kerschbaumer ein Wesen, das die Essenz der letzten Schaffensperiode versinnbildlicht: Die Harpyie, Sturm- und Todesgöttin, die „Dahinraffende", ein mächtiges und Unschuldiges Wesen. Sie lächelt grausam, mit morbider Zärtlichkeit zeigt sie ihre Weiblichkeit und ihre Unabhängigkeit. Stürmische Harpyien begleiten die windschnellen Rosse des Achilleus. Die menschliche Tragödie und die menschliche Lust, zu lieben und zu zerstören haben Spuren an Gesicht und Körper hinterlassen.

Die Harpyie ist Selbstbildnis, Siegesdenkmal und Ruhepol zugleich.

Barbara Baum

Edith Schlocker von der Tiroler Tageszeitung schreibt zu den Torsi:

Martha C. Kerschbaumers große Bilder leben zwar wesentlich von der mit vehementem Gestus gesetzten Farbe, in ihrem Wesen ist die Künstlerin aber eine Zeichnerin, ihre Bildgeschichten sind allerdings gut verschlüsselt, erzählen von tiefen Schichten des Bewusstseins, von privaten Obsessionen, von kollektiven Erfahrungen und klassischen Mythen.

Auf riesige Blätter schreibt die Künstlerin ihre Körper, die meist Torsi sind. Schwarz, Rot und Gelb sind die Ingredienzien, aus denen Kerschbaumer ihre Figuren formt, die oft gemarterte Hüllen für geistige Äquivalente sind. Männliches und Weibliches verliert hier seine Gültigkeit, der Mensch wird zur Struktur reduziert, skelletiert zum verknäuelten Gewirr von Strichen.

Martha C. Kerschbaumer agiert ganz aus der Emotion heraus, ohne sich dieser aber auszuliefern. Der Intellekt behält immer die Kontrolle, bleibt immer die ordnende, Spannung gebende Kraft in diesem eigenwilligen Alphabet.

Edith Schlocker



Vorherige Ausstellung
Folgende Ausstellung
zuletzt aktualisiert: 25. October 2007