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Casaluce-Geiger
"No body art"
kuratiert von Angelo Capasso

Heinz Grosskopf
"Photometamorphosen"

Vernissage: am Tuesday, 18. June 2002 von 19 - 21 Uhr
Dauer der Ausstellung: 19. June - 13. July 2002
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 13 - 18 Uhr
Samstag 10 - 13 Uhr
und nach Voranmeldung

Über Casaluce-Geiger
Text von Angelo Capasso
Text von Fabiola Naldi
Text von Edoardo Di Mauro
Kritik in New Art Press (in italienisch)

Über Heinz Grosskopf
Text von Burghart Schmidt
Text von Heinz Grosskopf


Casaluce-Geiger
"No body art"

kuratiert von Angelo Capasso

Die Fotografie ist der Spiegel der Welt. Jede Aufnahme ist ein Fragment der Wirklichkeit, deren Züge sie, in eine harte zweidimensionale Ebene pressend, getreu wiedergibt. Der Wunsch nach Wahrheit in der Kunst, hat die Künstler im Lauf der Geschichte dazu geführt, sich mit immer größer werdender Annäherung zu jener falschen Schwelle zu drängen, die uns Trügerischerweise täglich auferlegt, was das Auge in seinem Sichtfeld wahrnimmt.

Casaluce-Geiger bietet in ihren fotografischen Arbeiten den ständigen Versuch, das Trugbild der falschen Wahrheit, die sich in der Fotografie versteckt, aufzuzeigen. Dabei verwendet sie ironische Elemente, die von der Verkleidung bis hin zu performanceartigen Praktiken, welche kindlichen Spielen sehr ähneln, reichen.

Im Zentrum ihres Objektivs, findet sich oft die Figur (manchmal sie selbst), aufgestellt als Anziehungspunkt für jedes anzunehmende Spiel, einer Erotik des Blickes folgend, welche die Pole vertauscht, Situationen umdreht, theatralische Bedingungen schafft um die Aufmerksamkeit auf eine Welt der Details zu lenken, mehr als auf ihre generelle Gesamtheit. Die Körper, oder die Teile davon, die in ihren aktuellen Arbeiten NO BODY ART auftauchen, tragen vor allem ihre elementare Erotik zur Schau. Eine Erotik, welche die Lust in die Neugierde und nicht in das Rätsel drängt. Die Arbeiten von Casaluce-Geiger, präsentieren sich daher nicht als Suche nach dem Sichtbaren, sondern nach dem, was das Sichtbare als Einfluss auf unsere Phantasie schafft; das freie Feld des Verlangens.

Das Wortspiel, welches in den Titel dieses Zyklus von Arbeiten eingefügt ist, bringt auch einen grundlegenden Umstand, in der Art Kunst und Fotografie im Zeitalter von Internet und des Digitalen zu machen, ans Licht: das Faktum der ständig präsenten Anonymität das jede Arbeit des Einzelnen begleitet, und das sich in der Kunst in den substantiellen Verlust der Urheberschaft des Werkes verwandelt. Die Bilder sind Erläuterungen einer kollektiven Begierde, die Casaluce-Geiger in ihren Fotos einfängt und in einer ganz persönlichen Abwandlung zeigt; wissend jedoch, dass das Spiel nicht einzeln ist, sondern gemeinsam, global.

Es ist ein kindliche Welt, die Welt der Casaluce-Geiger. Sie spielt mit dem Scheinbaren, und jedes Foto davon ist paradoxer Weise, in seiner Einzigartigkeit, die getreueste Abbildung.

Angelo Capasso

Angelo Capasso

Angelo Capasso lebt und arbeitet zwischen Rom und London. Er arbeitet im Bereich zeitgenössische Kunstgeschichte mit der Universität „La Sapienza“- Rom zusammen und hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert. Unter anderem: Michele Zaza, Vettor Pisani, Elvio Chiricozzi, H.H.Lim, Cloti Ricciardi, Alain Le Yaouanc, Pasquale Altieri.

Zusammenarbeit mit zahlreichen Zeitungen und Magazinen: Cahiers d‘ Art International (Roma), Arte e Critica (Roma), Segno (Pescara), Tate, the art magazine (London), Time (London, New York), PAJ:Journal of Performance and Art (New York), Tema Celeste (Milano).. Bücher: „Ritrosia“ (Sorgini Editore, 1999), „Nottefonda“ (Zowart, 2000), A.B.O., le arti della critica“ (Skira, 2001)


Auf der Suche nach anderen " Schatten"

von Fabiola Naldi

Die künstlerische Suche der Casaluce-Geiger könnte ich als wissenschaftliches "Eindringen" in ihren Weg beschreiben, alle möglichen Analogien derjenigen suchend, die schon vor ihr, sich selbst durch das visuell - konzeptuelle Vermischen vieler anderen "Identitäten", gefunden haben. Oder ich könnte euch die Geschichten eines neugierigen Mädchens erzählen, das schon seit früher Kindheit mit Puppen spielte, indem sie diese einer eigenen Vision der Welt anpaßte, in der diese Spielkameraden ihr Aussehen veränderten. In Ihrem Aussehen verändert von demselben Mädchen, das dann, in den folgenden Jahren, einen Schauspielkurs belegen wird, gefolgt von einer Kunstausbildung, die es ihr erlauben wird die Malerei und die Fotografie kennenzulernen.

Und so ist es auch passiert: Casaluce-Geiger ist all das, und ihre Suche zeigt das auch. Sei es die Malerei (wo sich die hauptsächliche Intention, das Verändern der Zweidimensionalität und die Sinnlichkeit der Materie, auf Grund der brennenden und "violenten" Farbigkeit zu einem formalen unicuum verbinden) oder die Fotografie, der sie sich zuletzt hauptsächlich widmet, es ändert sich wenig.

Wenn man genau schaut, ist sie dasselbe Kind geblieben, das Spiel und Fantasie einer intimen und persönlichen parallelen Dimension zurechtbog. Eine Dimension die es erlaubte die Wirklichkeit abzuändern, auszutauschen, zu verwandeln.

Casaluce-Geiger ist nur "gewachsen" und mit ihr die unendlichen Möglichkeiten zu spielen, sich zu vergnügen. Nicht zuletzt dank einer herausstechenden Ironie, mit Spuren der Realität, durch die sie jedenfalls die Hauptdarstellerin bleibt.

Das Verwenden der Fotografie, die eigene Verschmelzung als Fotograf und Objekt und das Zusammensetzen des Ganzen zu einem einzigen Bild, wo die Verkleidung und die bewußte Zweideutigkeit ein anderes Aussehen anzunehmen, das Zentrum einer Suche zu sein scheinen, die unsere Künstlerin dazu bringt andere Dimensionen des Geistes und der Fantasie zu untersuchen und in sie einzudringen, Dimensionen die wir manchmal aus "gesellschaftlichen Gegebenheiten" meiden.

Sich verkleiden und sich in anderen Gewändern oder hinter "andersartigem" Verhalten verstecken, bringen die Künstlerin dazu ein genauso zweideutiges wie faszinierendes und verführerisches Terrain zu sondieren, wo das Undenkbare passieren kann. Und die Fotografie ist das beste Medium, das beinahe Wahre ins Wahre zu transportieren: es bleibt jedenfalls ein Ergebnis, ein bildnerisches Zeugnis, dass etwas passiert ist, dass sich ein Stück Wahrheit in einen ruhelosen Strudel der Surrealität und Fiktion eingefügt hat, wobei es etwas oder jemanden vielleicht "nicht existenten" als wahr vermittelt.

Das Bild (und mit ihm die vielfachen Identitäten, welche die Künstlerin ins Spiel bringt) emigriert in einen simulierten Raum, die innere Dimension der Träume, Wünsche und Ideale einbringend, steckt sie in eine realistisch "konstruierte" Fotografie eine ordentliche Dosis Künstlichkeit.

Casaluce-Geiger wird, indem sie mit den im speziellen Fotos eigenen dialektischen Paradoxen spielt, gleichzeitig Operator und Spektrum, wobei sie bewußt einen Kurzschluß im Inneren des Bildes schafft, und die Doppelrolle als Urheber und Instrument einnimmt.

Die "transformer"-Künstlerin wird so eine Art "ungefährlicher Killer", bemüht die Spuren der eigenen Identität zu verbergen, indem sie das Berührbare verfälscht und die Karten der folgenden Interpretation mischt; durch diese konzeptuelle Handlung erfindet unsere performer - Fotografin sich selbst neu, indem sie erneut ihr eigenes Aussehen konfiguriert, in einer wachsenden work in progress, einem anderen Ego einer Identität die sich in ständiger Veränderung befindet.

Fabiola Naldi

Fabiola Naldi

Dozentin an der Universität DAMS -Bologna
Kuratorin und Kunshistorikerin
Journalistin , unter anderem für "Flash Art" und "Juliet"


Die meiner Meinung nach originellste Richtung, welche die italienischen Künstler entwickelt haben, darunter auch Casaluce-Geiger, denn wenn man ihre Arbeiten betrachtet muß sie zu Recht so definiert werden auch wenn sie vorwiegend in Österreich lebt, ist diejenige die im Einklang mit unserem genius loci steht. Eine Richtung, die sich auf Ironie und sprachlichem Spiel gründet, auf der Entdramatisierung der Existenz, auf einer Sichtweise der Kunst als Quelle des Staunens und der Überraschung. Einer Aufwertung der ihr eigenen spielerischen und kindlichen Seite, der Kehrseite des Pragmatismus, des so ernsten Formalismus der nordischen und vor allem angelsächsischen Tradition. Casaluce gebraucht die Fotografie in zweifacher Weise. Einerseits als Mittel um Werke zu schaffen, die in der Lage sind eine verdrehte und surreale Sicht des Alltäglichen zu liefern, unter Auslotung all der unendlichen Ausdrucksmöglichkeiten, dabei unter anderem mit einer Annäherung an die instrumentalisierte Arbeitsweise der 70'er, mit der Ereignisse vervielfältigt wurden.

Der andere Aspekt der Poesie von Casaluce-Geiger ist jener der Performance, festgehalten in der Spontaneität des Selbstauslösers, aber wiedergebbar in unendlichen Varianten. Aktionen in denen sich die Künstlerin vergnügt ,mit zufriedener und scharfsinniger Ironie, die gängigen Stereotypen der Weiblichkeit zu entweihen.

Edoardo Di Mauro

Edoardo Di Mauro

unterrichtet Geschichte und Methodik der Kunstkritik an der Akademie Albertina - Turin. Er ist Direktor des Museums für urbane Kunst, Präsident der Vereinigung V.S.V., sowie Mitglied des leitenden Komitees der Museen und Ausstellungen der Stadt Turin.


Heinz Grosskopf
"Photometamorphosen"

"Auf den ersten flüchtigen Blick wirken Grosskopfs Photoserien wie manieristische Anamorphosen. In solchem Formalcharakter aber klären sie den schwierigen Sachverhalt des Landschaftlichen. Landschaft hat in einer Hinsicht die Bedingungsbasis der Natur: Die Ebene, die Küstenzüge, das Hochgebirge und doch etwa hat Lucius Burckhardt recht mit der Ansicht, dass unsere Landschaftsvorstellung sich bildet durch so und so viele Erfahrungsereignisse im Begegnen mit Naturfeldern. Landschaft passiert also im Kopf. Und dazu spricht man von Gesichtslandschaften. Der Kopf wird also zur Landschaft, die Schädeldecke zum Himmelszelt, die Augen zu Teichen, die Nase zu Höhenzug wie das Kinn. Ein unentwirrbares Ineinander bildet sich im Begegnen von Kopf und Natur. Der Kopf erwächst aus der Natur, aber auch er blickt der Natur entgegen."

Burghart Schmidt


Burghart Schmidt anlässlich der Ausstellungseröffnung Heinz Grosskopf in der Galerie Splitter-Art

Heute wird hier Heinz Grosskopfs Arbeit ausgestellt, die mit Dehnungen einem sofort Reihen vorsetzt, Reihen, die transformativ das Gereihte aufeinander beziehen. Wenn man sich zunächst diese Reihe ansieht („Stoned"), dann merkt man auch sofort, das ist die Transformation zwischen einer steinigen Landschaft und einer porträtartigen Aufzeichnung eines Kopfes, und zwar des Kopfes des Künstlers, wie man unschwer erkennen kann. Das beleuchtet nun zunächst einmal das Verhältnis Landschaft-Kopf und zwar, wie ich meine, auf eine Weise, daß man den vom Künstler sehr gewollten Titel der Ausstellung als ironisch verstehen muss „Stoned", ich hätte es auch Entsteinung nennen können. Insofern, daß das Steinhafte eine Rolle spielt, damit das Härteste an dem, was wir Landschaft nennen. Sonst hat Landschaft ja dieses an sich, dass wir eher an etwas sehr weich Übergehendes denken, wie besonders in der Malerei die Landschaftsperspektive, wenn sie als Farbperspektive genommen ist, die allmähliche Abschattung in die Bläuen hinein, die man auch in der Natur selber finden kann. Solche Kulissen wirken ja sehr weich im Übergang, während hier auch Härten eine Rolle spielen zu scheinen, die aber durch die Motive der Gesichtsfaltungen und der Landschaftsfaltungen so überspielt werden, daß man das Steinerne zu vergessen beginnt. Das ist vielleicht das Eine: Das Steinhafte, das Festeste, oder wie ich auch an anderer Stelle einmal sagte, das Granithafte. Das Granithafte ist ja nach Goethe das Älteste in der Natur, Granit als ältester Sohn der Natur und damit so massiv. Aber hier wird das alles in Strömung, in Fluss, in diese weiche Transformativität übersetzt, die dem Material fast zu widersprechen scheint, nicht aber der thematischen Konfrontation. Und die ist für mich nun spannend, weil ich seit vielen Jahren über Chancen einer neuen Landschaftsdarstellung diskutiere und arbeite. Es gibt ein großes Adorno-Wort, welches besagt, das Landschaftsthema bzw. das Naturthema ist für die Kunst verbraucht. Das können wir sogar sagen, in einem Sinn von Adorno her für die Riesenerfolge der Impressionismusausstellungen oder für die Ausstellungen der Landschaften der neuen Sachlichkeit und für viele andere. Im Kunstsinn des innovativen Vorwerks sind sie verbraucht, in einem unterhaltenden Genusssinn überhaupt nicht, das würde ich auch gar nicht leugnen, weil ich da die Erfolge solcher Ausstellungen von Wien bis Tübingen und anderswohin, als verlängerten Arm der heutigen Touristik-Kultur ansehe. Aber das ist nicht die Front der Kunst, sondern das ist das breite Feld der Unterhaltung, welche ja gerade im Naturund Landschaftsthema seit langem oder seit die Reisekultur sich in Europa zu entwickeln begann, der Kunst nachreiste. Die Impressionisten, wie ich an anderer Stelle einmal schrieb, reisten den Grandhotels nach, in die Provence, in die Südsee und so weiter. Das ist auch dem Jugendstil so geschehen, daß die Grandhotels den Landschaftsentdeckungen nachreisten. Aber das sagt nichts gegen eine Reisekultur aus, auch wenn man sich noch so kritisch wie heute damit auseinandersetzen mag, dieses Feld will ich gar nicht diskutieren. Was Adorno meint, ist die Front der Kunst, und dafür sei Landschaft verbraucht. Es kommt, meine ich, darauf an, was man anderes noch aus dem Thema hervorholen kann, als die Präsentation von Landschaftstypen, Landschaftsdifferenzen, Landschaftsempfindlichkeiten und so fort. Eben davon meine ich, ist hier eine gegeben, weil sie ein Thema aufgreift, welches in der Sache selber liegt. Die Landschaft ist einerseits von ihren Bedingungen her, etwas das sehr zur Natur gehört, also zu dem, was dem Menschen fremd von außen begegnet. Und doch gerade das Wort Landschaft zieht das an, was ganz und gar zum Menschen gehört. Das hat extrem Lucius Burghart ausgedrückt in dem Satz, Landschaft passiert im Kopf, und er hat es auch so erläutert. Wenn Sie einmal in ihrer Erinnerung in die Vergangenheit gehen, Erinnerung an Landschaften, in denen Sie öfter gewesen sind, so werden sie sich nicht an Blicke erinnern, in denen einmal irgendein Teil der Landschaft aufging, sondern eine Kombination, ein Ineinander, Überblendungen von lauter Landschaftserfahrungen in dieser Landschaft. Also, was Sie als Landschaft mit sich herumtragen, ist Ihnen im Kopf passiert. Und doch gerade diese Bilder machen klar, die steinigen Landschaften und auch diese zweite Natur, die Mauern die der Mensch dahinter gesetzt hat, so dass sie wieder kommen, wie als wenn Sie Natur wären, das alles kann der Kopf nicht erfinden. Wir haben es also im Landschaftlichen keineswegs mit etwas zu tun, was der Mensch ersonnen hat, sondern was er aufgefasst und aufgenommen hat. Ich glaube, die Serie beeinflusst den Betrachter so stark, dass er zu überlegen beginnt: Wie passt dieses Bild hinein, wie passt diese Serie dazu. Der Künstler hat sehr anschaulich ineinander gebracht, die Landschaft, ein Naturgelände, ein Konditionsgelände, der vom Menschen nicht beeinflussbarer, vom Menschen nicht gemachter Natur, aber übergehend in den Zusammenstoß, in die Begegnung des menschlichen Kopfes mit dem ihm Fremden und damit ein Ineinanderfliessen von beiden. Was dann spätestens klar macht, etwas von dem, was Schelling einmal mit einem mir ganz wichtiger Satz gesagt, nämlich daß die Natur im Menschen ihre Augen aufgeschlagen hätte, um sich selbst anzusehen, denn der Mensch kommt ja auch aus der Natur. Landschaft ist einerseits Natur, andererseits passiert sie im Kopf, andererseits ist sie aber auch der große Zusammenstoß zwischen Kopf und Landschaft, wobei man sich dann gegenüber solchen Manövern vielleicht auch die Frage stellen kann, in weiter Variation auch nach Schopenhauer, der sagte, wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen, und es klingt hohl, liegt es nicht allemal am Buche! Wenn Landschaft und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, liegt es nicht allemal am Kopf und nicht allemal an der Landschaft.

Aber ich versprach noch etwas, was zu widersprechen scheint, hier zu erwähnen. Wenn man sich beeinflussen lässt, von diesen beiden Serien der Kopflandschaft bzw. des LandschaftKopfes, beginnt man diese Serie („into my garden") auch so zu interpretieren, daß der menschliche Leib dort nur eine Transformtionen von den pflanzlichen Verstammungen, von Stammentstehungen darstellt. Das ist wie bei Klettergewächsen, die nicht erst einen Baumstamm bilden, aber nachher doch, und dann so wahnsinnig gebogen, wie es der menschliche Leib auch fertig bringt. In dem Sinne wird hier der ganze Leib zur Landschaft. Man würde unbeeinflusst von dem, auf diese Serie schauend, die ja eher an eine tänzerisch-sportliche Konfrontation mit der Landschaft denken, nicht so sehr wie an diese Transformation, weil wir merkwürdigerweise durch diese Bilder erst daraufhin beeinflusst werden, festzustellen, was wirklich in uns vorgeht. Am Menschen erfassen wir seinen Gesichtsausdruck, sein Gesichtstheater als das Informtionsstärkeste, viel informationsstärker als etwa der ganze Leib. Daher würden wir am ganzen Leib eher die Konfrontation des Menschen mit der Natur und nicht die Auseinandersetzung mit ihr sehen, die in solchen Transformationen liegt. Die Natur wird definiert über den der sie ausdrückt, aber umgekehrt ist er derjenige, der zu bestimmen vermag, seine Eigenverwandschaft zu umgehen. Und so würde ein Naturelement durch die Art des Umgang bestimmt und nicht durch eine Voraussetzung und nicht durch ein Arbeitsziel, sondern durch die Art des Umganges. Das Ganze kann auch als eine Art Umgangsspiel ebenso wieder verschwinden, man kann diesen Ort verlassen. Der Künstler ist ja heute hier und nicht dort! Er ist auch nicht versteinert und nicht erstarrt.

Dieses Bild zeigt uns nun gegenüber den organischen, flutenden, fliessenden Strukturen, welche die anderen Bilder zeigen, daß eine Rasterstruktur der Natur gar nicht fremd ist, entgegen des Hundertwasser-Satzes, daß die Natur keine geraden Linien kenne. Denn das ist Naturlandschaft, von Meereswogen geschaffen, ohne daß sie sich so abbilden, wie auf dem Sand. Das ist die Auseinandersetzung von Meer und dieser Art Gestein, und tatsächlich als Naturereignis entstanden. Wenn man es von hinten zu sehen beginnt, dieses muss man allerdings vom Künstler wissen, hinter den Mauern verbergen sich Äcker, die man mit Seetang gebildet hat, ist es faszinierend, selbst ohne diesem Wissen, daß da hinten Waldungen erst mal Übergangstransformationen schaffen, bevor das Ganze sich ausbreitet, als dieser Raster gegen das Meer hin. Eine merkwürdige Konfrontation des mathematisch-strengen mit dem dynamischen Wellenphänomenen der Natur, in der so was auch entstehen kann, als Resultat einer noch nicht gelösten Diskussion. Aber eben in der Natur stellt die Mathematik das her, was wir Expressivität nennen, während es gerade für die deutschsprachiger Kultur unzugänglich ist, daß das Leidenschaftliche und das Expressive, das Ausdruckstarke mit Mathematik zu tun hätte. Nur die Barockphase hat davon gewusst, das noch das stärkste und das leiseste Gefühl eine mathematische Struktur enthalten, als die woraus die Transformation des Gefühls entstanden ist. Aber den Barock hat man weithin vergessen, ich halte dafür diese Ausstellung ein wenig für ein barockes Ereignis.


Heinz Grosskopf über seine Arbeit

Meine Affinität zu ursprünglichen Landschaften lässt mich auch unter widrigsten Umständen mit Linhof- und Hasselblad-Kameras fotografieren. Ich fühle mich emphatisch verbunden mit jenem Teil der „grünen Insel“, nämlich der Westküste Irlands, wo noch keine Technik- oder Fortschrittsgläubigkeit Mensch und Natur geprägt hat. Eine Küstenlandschaft mit magischen Orten, Orten mit Geheimnissen. Eine Herausforderung für wetterfeste Asketen. Es ist ein poetisches Land, und fast ohne mein Zutun, wie von selbst, zaubern sich die Motive in meine Kamera. Besonders herausfordernd für mich ist es, die Natur in ihrem Jahrhunderte währenden Bemühen als Bildhauerin, welche surreale Felsbrocken aus dem Gestein meißelt, zu zeigen.

In meiner weiteren künstlerischen Überlegung werden Landschaften zur Metapher. Durch Mehrfachbelichtungen bringe ich meine Person in die fotografische Arbeit ein und gestalte so eine neue Ebene. Ich schaffe eine Verbundenheit zwischen der Landschaft und mir, indem ich verschiedene Verschlusszeiten, Bild- und Schärfenebenen zu einem Bild zusammenführe, ganz im Gegensatz zur klassischen Foto-Bilddokumentation. Ich dokumentiere nicht nur, sondern ich bereise meine Bilder im Kopf, und durch das Besetzen und Aneignen von Orten, wobei ich meinen Körper in die Landschaft einbringe, möchte ich meine Verbundenheit mit der Natur ausdrücken.



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zuletzt aktualisiert: 13. July 2002